Funktionale Wohngemeinschaft

Nutzung: Wohnen
Haus: 14 Wohnungen, Baujahr ca. 1910
Wohnung: 4,5-Zimmer-Wohnung
Wohnfläche: ca. 100 qm
Bewohnende: 6 Personen
Wohnform: Funktionale Wohngemeinschaft (FuWo)
Räume: Wohnzimmer mit Küche, Schlafzimmer, Arbeits-/Kreativzimmer, Ruhezimmer, Bad, Flur (Ankleide), Abstellraum

In einem Stadtteil, der von Gründerzeitbauten geprägt ist, befindet sich ein Haus, wie es viele andere in der Nachbarschaft gibt. In einer Wohnung in dem Haus leben sechs Menschen auf eine Weise zusammen, wie es nicht viele andere tun.

„Funktionale Wohngemeinschaft“ (kurz funktionale WG oder FuWo) nennt sich die Wohnform, bei der sich die Bewohnenden „quasi alles außer Unterwäsche und Zahnbürste“ teilen: alle Räume der Wohnung, Kleidung, Lebensmittel, Emotionen und vieles mehr. Persönliche Gegenstände wie Unterwäsche, Tagebücher oder elektronische Geräte beschränken sich auf ein persönliches Schrankfach pro Person, das sogenannte "Ego-Fach".

Die 4,5-Zimmer-Wohnung ist im Grundriss klassisch aufgebaut: Grundsätzlich erschließt ein zentraler Flur alle Zimmer. Einzig das Wohnzimmer wurde wohl bei einem früheren Umbau durch einen großzügigen Durchbruch mit der Küche verbunden, und der Zugang vom Flur verschlossen, sodass heute ein verbundener Wohn-, Ess- und Küchenraum besteht. Neben diesem gibt es drei weitere, jeweils ähnlich große Zimmer, die vom Flur abgehen: Eines wird als Schlafzimmer genutzt, eines als Arbeits- und Kreativzimmer, eines als Ruhezimmer. Dazu gibt es ein Badezimmer mit WC, Dusche und Badewanne sowie ein Abstellraum mit Waschmaschine. Der lange Flur wird als Ankleideraum genutzt, hier werden die meisten Klamotten in Schränken und offenen Regalen gelagert.

Die derzeitigen sechs Bewohner:innen, im Alter zwischen 22 und 32 Jahren, setzen sich aus zwei Studierenden, drei Auszubildenden und einer Vollzeitbeschäftigten zusammen. Sie wohnen zwischen einem Monat und eineinhalb Jahren in der FuWo und bringen alle keine Vorerfahrung in dieser Wohnform mit. Wie das Wohnen und Teilen funktionieren sollen, wird gemeinsam ausgehandelt. Verschiedene implizite und explizite Regeln tragen zur Organisation bei.

Für die Auseinandersetzung mit dieser Wohngemeinschaft kann das Teilen als zentrales Thema benannt werden. Unter anderem konnte im Rahmen des Gruppeninterviews mit allen Bewohner:innen das Teilen als persönlicher Lernprozess erkannt werden. Die näheren Betrachtungen auf das Teilen in der FuWo zeigen exemplarisch die zentralen Momente des Teilens auf. Weiter stellt sich die Frage, wie sich Bewohner:innen der FuWo trotz geteilten Räumen Ruhe oder Privatsphäre schaffen. Dies kann sowohl räumlich wie auch durch Praktiken entstehen. Der Blick auf einen exemplarischen Tagesablauf zeigt, wie die Zimmer von den Bewohner:innen genutzt werden. Auf Tonspuren antworten verschiedene Bewohner:innen direkt auf die Frage, was Teilen für sie bedeutet. Schließlich stellen wir das Teilen nochmals in einen größeren Kontext um mögliche Lehren aus dem Fall zu ziehen.

Elena Ackermann / Aljoscha Berthold / … – HCU 2024. Lizenz: CC BY-NC-SA

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