zeichnen

Wenn wir bei Urban Types von zeichnen sprechen, geht es uns vor allem um die Aufzeichnung und Kartierung des (alltäglichen) Gebrauchs und von Spuren der Aneignung durch die Bewohner*innen, Planer*innen und anderer Tätigen an, in und um Wohnungen und Häuser heute, damals und in ihrem Prozess des Gewordenseins. Wir nehmen dabei Anleihen aus den klassischen Werkzeugen der planenden Disziplinen und erstellen Zeichnungen von Häusern in Grundriss, Ansicht, Schnitt, Axonometrie und Isometrie als Diagramme, Handzeichnungen und in CAD (Computer Aided Design).

Dann benutzen wir diese Werkzeuge und fokussieren auf den Gebrauch; den darin und daran stattfindenden als auch stattgefundenen Tätigkeiten sowohl in menschlichen Darstellungen als auch in Dingen und Gegenständen des Alltags (Atelier Bow Wow 2014, 2007, 2002, 2001; Wajiro Kon 2011). „[Denn] anders als in der klassischen architektonischen Tradition wird Zeichnen hier weniger als Mittel begriffen, um eine Idee in eine erste Skizze, dann in einen Ausführungsplan und schließlich in einen fertigen Bau zu übersetzen. Vielmehr wird das Zeichnen deutlich umfassender als ein wirkungsvolles Werkzeug eingesetzt, mit dem sich die vielen unterschiedlichen Realitäten aufspüren und offenlegen lassen, die das Leben rundum Architektur begleiten: Gewohnheiten, die sich in architektonische Typologien niederschlagen, der Einfluss von Bautechniken und Bauweisen, die Zirkulation von Menschen, Waren oder Informationen, die Veränderung von Gebäude und Umfeld, zwischen Siedlung und Umwelt. (Kalpakci, Kaijima, Stalder 2020: 3).“

Wir versuchen festzuhalten was sich unserem Blick entzieht – was auf den ersten Blick unsichtbar ist; was bereits geschehen ist, was zu anderen Zeitpunkten stattfindet oder stattgefunden hat und fragen dabei nach den Möglichkeiten von Darstellungen Raum nicht statisch zu beschreiben, sondern – mit den Worten von Latour und Yaneva – sie „fliegen“ (Latour und Yaneva 2008: 80) zu lassen und damit sowohl sichtbare als auch unsichtbare Strukturen und Designs in den Blick zu nehmen (Burckhardt 2012). “Hier dienen Zeichnungen dazu, das Dickicht zu verstehen, in welches Architektur eingebettet ist. Gleichermaßen eröffnen sie aber auch neue Wege, um von hier aus in Richtung einer integrativen Architekturpraxis vorzustoßen (Kalpakci, Kaijima, Stalder 2020: 5).“

Raumaneignung -, nutzung und -planung

Eingebettet in den städtischen Kontext der unmittelbaren Nachbarschaft, des Blocks und Quartiers sowie der Stadt sollen diese Zeichnungen bei Urban Types Relationen aufzeigen, zwischen sozialen und physischen sowie angeeigneten und geplanten Räumen. Verortet in ihrer jeweiligen Typologie und/oder ihres Typus des Hauses/der Häuser und des/der Bewohner*innen fragen wir dabei nach Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Dauerhaftem und Überformtem (Glaser 2013), Raumfunktionen, und (An)ordnungen (Löw 2001), Größen, Materialitäten etc. - um implizite Wissensbestände sichtbar, verifizierbar und damit auch diskutierbar und verhandelbar zu machen. Herauszuzeichnen was zu bestimmten Zeiten stattgefunden hat, was aktuell besteht und was performativ stattfindet, kann Aufschluss geben über versteckte Potenziale, die es möglicherweise weiterzuentwickeln gilt.
Der Anthropologe Tim Ingold sagt dazu in einem gemeinsam geführten Interview mit der Architektin Momoyo Kaijima, als auch Andreas Kalpakci und Anh-Linh Ngo in der Arch+ Architekturethnografie (Nr 238:17): „Gemeinhin werden Kunst und Architektur als spekulative Disziplinen verstanden, die Dinge entwerfen, die noch nicht existieren. Im Gegensatz dazu befasst sich die Archäologie mit der Erforschung der Vergangenheit und die Anthropologie mit der Erforschung von Gesellschaften. Sie soll untersuchen, was da ist, und nicht etwa Dinge vorschlagen, die noch nicht da sind. Aber diese Unterscheidung ist eigentlich nicht kohärent. Man kann nicht spekulieren oder entwerfen, ohne ein tiefes Verständnis der gelebten Welt zu haben, und ein tiefes Verständnis der gelebten Welt wäre völlig sinnlos, wenn es nicht mit irgendeiner Form von Entwurf verbunden wäre, wie das Leben sein könnte. Was nützt es, das Leben zu erforschen, wenn man nicht daran interessiert ist, darüber nachzudenken, wie es sein könnte?“

Diese Untersuchungen, die zu dem angesprochenen tiefen Verständnis führen umfassen alle Maßstabsebenen des Städtischen und zeigen sich zum Beispiel sowohl in den Dingen (vgl. das Projekt Auf | Zu | Angelehnt – das Element der Tür) als auch in der Struktur des Quartiers (vgl. das Projekt Seriell / Individuell – die unterschiedlichen Anbauten der Typenhäuser durch ihre Bewohner*innen).
Das Zeichnen von Gebrauch impliziert eine Auseinandersetzung mit dem Menschen und seinen Tätigkeiten sowie Dingen des Alltags. Räume wurden, sind und werden produziert (Lefebvre 1974). Die Zeichnung als Analyse des Bestehenden kann diese – oftmals bereits materialisierten oder verflüchtigten Zustände dechiffrieren, um darin Möglichkeiten aufzuschließen. Kemp beschreibt in Architektur analysieren: „Der Neubau von St. Peter ist in dieser Beziehung das dankbarste Objekt gewesen; die 200 Jahre anhaltende Entwurfsgenese ist in Plänen, Entwürfen und Veduten so dicht belegt, dass wir auch eine Vorstellung über Vorstadien und die verworfenen Alternativen gewinnen können.“ (Kemp 2009:173) Zwar beschränkt sich die Analyse und Recherche des beschriebenen Objektes dabei eher auf den „Behälterraum“, auch ist der Entwurf und die Umsetzung eines Doms in unserer Gegenwart und in unserem Themenfeld keine Architektur des Alltags (mehr), dennoch werden hier in dem Vorhandensein der verschiedenen Planstände über einen langen Zeitraum die Prozesse in Entwicklung und Umsetzung sichtbar. Aus einem relationalen Raumverständnis kommend, können Zeichnungen diese – oftmals nicht dokumentierten, aber über Gespräche und Interviews erzählten, sowie über dokumentarische Beschreibungen vorhandene und über Bilder sichtbare - Prozesse in und um unseren zu untersuchenden Alltagsarchitekturen nachzeichnen. Damit könnte eine dichte Zeichnung auch als dichte Beschreibung (Geertz 1987) agieren, sowie ihre Ausformulierung dies ergibt (vgl. das Projekt Wohnen und Arbeiten).

Analysieren von Artefakten und Spuren

In der qualitativen Forschung können Grundrisse auch im weitesten Sinne als „standardisierte Artefakte“ behandelt werden und fallen damit unter die Analyse von Dokumenten und Akten (Flick 2009: 503). Interessant hierbei ist, dass Flick sagt, dass die meisten amtlichen und privaten Dokumente „[…] nur für einen umschriebenen Kreis legitimer bzw. angesprochener Rezipienten bestimmt [ist].“ (ibid.) Darüber hinaus können diese Dokumente auch als „institutionalisierte Spuren“ gelten (ibid.) und über Analyse dieser, Rückschlüsse auf deren Verfasser*innen und im Weiteren auf die Organisation(en), die gesellschaftlichen Verhältnisse, Umstände, Gegebenheiten usw. verweisen. Diese Verweise und Relationen zwischen gebauter Materie und gesellschaftlichen Strukturen finden wir beispielsweise bei den Untersuchungen von Elias (1996) die höfische Gesellschaft, indem er diese Wechselwirkungen und den damit verbundenen Ausdruck in gebauten Strukturen (hier am Beispiel französischer Herrenhäuser) darzustellen sucht. Ähnliches, aber konzentriert auf die Veränderungen im Laufe der Geschichte beschreibend finden wir bei Robin Evans Essay (1978) Figures, Doors and Passages sowie im Weiteren sehr aktuell mit dem Fokus des Aufzeigens bestehender Machtverhältnisse (vgl. Dorhöfer 1998; Heynen 2005; Nierhaus 1999; …).
Angebunden an unsere Motive bei Urban Types geht es darum, dieses im Material (als Form und als Tätigkeit) inhärente Wissen, in unserem Fall: im Bewohnen von Häusern, offen zu legen. Zeichnungen können dabei ein mögliches Werkzeug, ein möglicher Ausdruck sein diese Wissensbestände zu erforschen, zu entdecken, zu untersuchen und zugänglich sowie sichtbar werden zu lassen (oder auch im Verborgenen zu halten).

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Modellprojekte Steckbriefe

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Grundriss

"ungeschriebene Gesetze"

Die drei Wohnungen sind generell separat voneinander zu betrachten. Es gibt einen gemeinsamen Hausflur und das Treppenhaus nebst Aufzug, welches die drei gleich großen und nahezu identisch gestalteten Wohnungen miteinander verbindet. Die Wohnungen und den Flur trennen jeweils auch drei Wohnungseingangstüren, sodass das Wohnen im gesamten Haus generell nicht als gemeinschaftlich…

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